Don Quijote-Preis an "André Valente"25.08.2004
Die FICC-Jury am Filmfestival Locarno 2004 vergab den Don Quijote-Preis an den portugiesischen Film "André Valente" von Catarina Ruivo. Die Jury schrieb:
"The film describes in an unsentimental but intense way the life and the relations of an eight years old boy. The jury especially appreciates the density of the story and the director's very personal approach to it."
Die Jury vergab keine lobenden Erwähnungen.
Die Mitglieder der Jury: Görel Amcoff (Schweden), Bernt Lindner (Deutschland), Anne-Katrin Weber (Schweiz).
Bericht von Anne-Katrin Weber
Mit achtzehn Filmen aus siebzehn Ländern im internationalen Wettbewerb stellte das Filmfestivals Locarno 2004 den verschiedenen Jurys die nicht allzu strenge Aufgabe, zwei Filme pro Tag zu sehen und zu bewerten. Auch wenn in den beiden Eröffnungsfilmen ANTARES und POURQUOI (PAS) LE BRESIL die schon im Vorfeld angekündigte politische Orientierung des Wettbewerbs nicht zu erkennen war, gaben sie doch den Ton für die weiteren zehn Tage an. Sowohl das österreichische Drama um drei Frauen wie auch der französische Beitrag von Laetitia Masson um die Probleme der Regisseurin bei einer Buchadaptation machten klar: zu lachen wird es dieses Jahr nicht viel geben.
Einerseits dominierten im Wettbewerb Familiengeschichten, die, flankiert von Filmen über Teenagerprobleme und Initiationsreisen zum Erwachsenwerden, fast immer tragisch ausgingen. Den unheilvollen Höhepunkt erreichte hier der belgische Film FOLIE PRIVEE, welcher mit der für den Sohn tödlichen Umarmung des Vaters schliesst. Doch auch der einzige als Komödie angelegte Wettbewerbsfilm, WESELE von Wojtek Smarzowski, der eine Hochzeit von ihrem Anfang bis zum bitteren Ende auf die Leinwand bannt, war nie unbesorgt lustig, sondern immer auch von einem strengen Blick auf die heutige polnische Gesellschaft begleitet.
Der andere thematische Schwerpunkt bestand aus jenen schon erwähnten Filmen, die sich direkt oder indirekt mit der Politik eines Landes auseinander setzen. Hier gewann der italienische Film PRIVATE, welcher ein Porträt einer palästinensischen Familie unter der Okkupation zeichnet, sicherlich zu Recht den begehrten Leopard d'Or. Der Film des erst neunundzwanzig Jahre alten Saverio Costanzo wirft ein neues Licht auf den alten Konflikt und verhilft ihm so zu einem menschlicheren Gesicht. Allerdings schien die internationale Jury mit der Auszeichnung des sehr auf die formale Perfektion bedachten TONY TAKITANI ebenfalls signalisieren zu wollen, dass Kino auch Kunst und nicht nur Inhaltträger ist.
Die FICC-Jury, der Görel Amcoff aus Schweden, Bernt Lindner aus Deutschland und Anne-Katrin Weber als Vertreterin des Schweizer Verbands Cinélibre angehörten, entschied sich, den Don Quijote Preis an einen Film zu verleihen, der sich zwar nicht in Bezug auf seinen Inhalt, umso mehr aber in seiner Umsetzung von den restlichen Werken absetzte: ANDRE VALENTE von Catarina Ruivo beschreibt das Leben und die Beziehungen des achtjährigen André, der in einer Vorstadtsiedlung in Portugal lebt. Das Erstlingswerk dieser jungen Filmemacherin überzeugte uns durch die konzentrierte und nie sentimentale Behandlung des Stoffes, welche damit erreicht, was anderen Filmen in diesem Wettbewerb fehlte: eine dem Inhalt angemessene und eigenständige kinematografische Sprache zu entwickeln.
Anne-Katrin Weber, Mitglied FICC-Jury Locarno 2004 (Filmpodium Biel)
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